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Von Kurt Andermatt, Zürich
Der gesunde Menschenverstand

Gedanken dazu im März 2011

Wir leben zurzeit, jetzt anfangs des 21. Jahrhunderts, in einer epochalen, aussergewöhnlichen Zeit. Von niemandem erahnte oder erwartete Ereignisse erschüttern wieder einmal unsere Welt.

Im arabischen Raum stemmen sich die Völker gegen die Knechtschaft ihrer Regierungen. Menschen sind dabei bereit ihr Leben zu riskieren und versetzten die Menschheit damit in Verwunderung. Angesehene Persönlichkeiten äussern sich dazu wie folgt:

„Wir haben keine Begriffe mehr für das, was geschieht“. - Mark Lilla, Professor für Ideengeschichte an der Columbia University in New York

„Ereignisse, die sich nicht mehr vergessen lassen“. - Professor Dr. Herfried Münkler, Inhaber des Lehrstuhls für Theorie der Politik am Fachbereich Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität in Berlin.

„Die vielen obergescheiten Beobachter und Kommentatoren reiben sich die Augen. Was im arabischen Raum vor sich geht, hat niemand auch nur annähernd vorausgesehen“. - Dr. Konrad Hummler, VR NZZ.

Und während dem diese Volksmassen noch immer rebellieren, bebt in Japan die Erde in apokalyptischem  Ausmass und zerstört, zusammen mit dem dadurch verursachten Tsunami, in Minuten brutal und rücksichtlos Landschaften, Lebewesen und Infrastrukturen. Und da dabei auch Kernkraftwerke betroffen sind, ist die Gefahr eines Super-GAU existent. Politiker und Journalisten reagieren darauf mit Entsetzen.

Verwunderung? Entsetzen? Jetzt, heute, wo es doch, dank dem weltweit immer leichteren Zugang zu Hochschulen und Universitäten und auch dank moderner Informatik (Internet), so viel (Experten)-Wissen gibt wie noch nie auf dieser Welt? Jetzt, heute, wo man die Welt und alles auf der Welt, dank moderner Kommunikationstechniken, überall und jederzeit so direkt miterleben kann wie noch nie? Jetzt, heute, wo gegenwärtige und längst vergangene Vorgänge und Ereignisse in den Medien, den Massenkommunikationsmitteln, pausenlos kommentiert, analysiert und interpretiert werden? Jetzt, heute, wo wir ununterbrochen online sind, wo die Menschheit, dank rasant entwickeltem Wissensstand in den letzten hundert Jahren, die Natur und das Leben sowie lebenswichtige Zusammenhänge noch nie besser verstanden hat?

Ich meine, Verwunderung und Entsetzen sind unangebracht, unehrlich, ja verlogen. Denn die Ansprüche der Menschheit waren noch nie so unbescheiden wie heute. Durch fatales Verlangen nach immer mehr und immer schnellerem Reichtum, immer höherem Ansehen, durch blindes Vertrauen an grenzenloses Wachstum und unerschöpfliche Rohstoff- und Energielager, wird überall auf der Welt immer riskanter kalkuliert, wird die Natur immer schamloser und egoistischer ausgebeutet. Der Club of Rome veröffentlichte 1972, dass die Wachstumsgrenzen in den nächsten hundert Jahren erreicht und überschritten werden, dass der Kollaps vorprogrammiert ist. Die Rohstoffe, die nicht erneuerbaren Energien werden zu Ende gehen, das Trinkwasser wird knapp werden, denn vor 10‘000 Jahren waren 5-10 Millionen Menschen auf der Erde, heute sind es 6.9 Milliarden, mit einer Wachstumsrate von ca. 80 Millionen/Jahr. Der deutsche Publizist Richard David Precht formuliert das so: „Die Menschheit wird mit milliardenschweren Werbeprogrammen unverfroren zum Egoisten gezüchtet. Unsere Wirtschaft lebt davon, dass Menschen das kaufen, das sie nicht brauchen, um denen zu imponieren, die sie nicht mögen“. Nach mir die Sintflut! Kann das gut gehen? Der Katastrophensoziologe Martin Voss schreibt in der NZZ am Sonntag vom 20.März 2011: “Der Mensch denkt in Katastrophenszenarien, die nicht der Realität entsprechen. Desaster wie in Japan treffen uns deshalb unvorbereitet“. Die Menschheit wird zunehmend bestraft für diese Sankt-Florian-Haltung.

In der Sternstunde Philosophie im Schweizer Fernsehen vom 06. März 2011 diskutierten der deutsche Publizist Richard David Precht und Professor Dr. Herfried Münkler, Inhaber des Lehrstuhls für Theorie der Politik am Fachbereich Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität in Berlin über die Risiken und Nebenwirkungen der Staatsform Demokratie. Es war eine sehr gute Diskussion, in der sachlich und fundiert alle Probleme schonungslos auf den Punkt gebracht wurden. Für mich sehr aufschlussreich und anregend. Aber, so frage ich mich schon seit längerem: Wo bleibt der Mensch, der die Zeichen der Zeit nicht nur erkennt, sondern diese Erkenntnis nutzend ein weltweites Umdenken einleitet? Ich kann nicht verstehen, dass von den Entscheidungsträgern in Regierungen, in Verwaltungen, in Grossunternehmen aber auch in Hochschulen verdrängt wird, dass weiterhin stetiges Wirtschaftswachstum fadengerade in den Kollaps führt. Aber Professoren an Hochschulen begnügen sich anscheinend mit Analysen und Forschung, Experten vertreten mehrheitlich Ansichten der Auftraggeber und ermöglichen dadurch die Besitzwahrung von egoistischen Interessen. So wird weltweit nur noch reagiert und nicht mehr agiert.

In meiner Jugendzeit, Mitte des 20. Jahrhundert, bekam ich auf die Frage, wie soll ich mich in einer bestimmten Situation verhalten, von meinem Vater meistens zur Antwort: „Verlass dich auf den gesunden Menschenverstand“. Dabei verstanden wir unter „gesundem Menschenverstand“ die natürliche Fähigkeit, Dinge vernünftig beurteilen zu können. Etwas das man in der Schule nicht lernt. Der „gesunde Menschenverstand“ steht dabei sicher im Gegensatz zum Expertenwissen von Fachleuten, welches durch ein Studium, vertiefte Weiterbildung oder durch Forschung erworben wird. Zum Ausdruck gesunder Menschenverstand gibt es zahlreiche Zitate von bekannten Persönlichkeiten, wie zum Beispiel:

"Derartige Angelegenheiten werden vom Minister entschieden. Ist der Minister nicht zu erreichen, entscheidet sein Stellvertreter. Ist dieser auch nicht da, entscheidet der gesunde Menschenverstand". - James Callaghan, britischer Politiker (Labour Party) und von 1976 bis 1979 Premierminister des Vereinigten Königreichs.

"Der gesunde Menschenverstand ist die am besten verteilte Sache in der ganzen Welt, denn ein jeder fühlt sich damit angemessen ausgestattet. So pflegen sich auch jene, die sonst in allen Dingen sehr schwierig zufrieden zu stellen sind, von diesem nicht mehr zu wünschen als sie bereits haben". - René Descartes, 1596-1650, französischer Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler.

Dass unsere Gesellschaft auf dem falschen Weg und zudem noch schwer krank ist, sagt mir mein „gesunder Menschenverstand“ schon lange. Das beweisen mir die aufgeblähten Verwaltungen der Regierungen, die Heerscharen von Psychiatern, von Psychologen, von fremden Heilpraktikern. Statt anzuhalten und umzudenken sonnt man sich in der Schadensbegrenzung. Chemielobby, Finanzlobby, Baulobby, Gesetzgeber, Spiritualität, sie alle haben Hochkonjunktur, erfinden immer stärkere Dünge- und Dopingmittel, aggressivere Aufputschmittel, halsbrecherischere Schuldengebilde. Der Wahnsinn zerstört sogar bürgerliche Tugenden. Und das Schlimme ist, alles ist gesellschaftsfähig, wird kaum hinterfragt.

Mein „gesunder Menschenverstand“ sagt mir nun aber auch, dass die Lage auf unserer Erde in den kommenden Jahren noch prekärer wird. Was passiert, wenn die 5.2 Milliarden Menschen in Asien und Afrika, dreimal mehr als die Bevölkerung von Europa, Amerika und Ozeanien zusammen, einmal ein selbstbestimmtes Leben führen werden wie wir? Anrecht auf Freiheit und Demokratie haben alle Menschen. Freiheit ja, aber was für eine? Sicher nicht unsere westliche, die ja so unbescheiden ist. Wenn wir diesen Völkern auf ihrem beschwerlichen Weg in die Freiheit helfen wollen, und das müssen wir entschieden, dann müssen wir ihnen aber gleichzeitig auch die Botschaft vermitteln, dass wir uns im Westen auf dem falschen Weg befinden, dass wir uns alle bescheiden müssen, dass das westliche Modell des Konsums nicht universell anwendbar ist, dass die Welt begrenzt ist. Ja und was passiert, wenn im Jahre 2050 die dannzumal über 9 Milliarden Menschen notgedrungen immer mehr auch Land beanspruchen werden, das durch höhere Gewalt, wie z. B. Naturkatastrophen, insbesondere Unwetter, Erdbeben, Tsunamis, Überschwemmungen, Vulkanausbrüche, Lawinenniedergänge bedroht ist? Die Erde dreht sich weiter, die nächsten Naturkatastrophen werden unweigerlich kommen. Wo bleiben da die entscheidenden Impulse zur Umkehr?

Wir rasen mit all dem Expertenwissen direkt ins Verderben, wo doch der gesunde Menschenverstand schon lange ein Umdenken fordert. Taiichi Ohno, der Erfinder des Toyota-Produktionssystems, soll gesagt haben: „Der „gesunde Menschenverstand“ irrt immer!“ Ich bin anderer Ansicht. Ich halte es wie Lee Iacocca, Manager in der amerikanischen Automobilindustrie, der sagte: „Wir kriegen dieses Land nur wieder ins Lot, wenn wir uns auf den guten, einfachen Menschenverstand besinnen."


Von Ernst Weber, Uster
Leser holen Texte aus dem Koma, Texte Leser

Bauernmärchen: ... Und die Menschen hörten auf zu lügen und die Fliegen mieden den Mist.

Sommersprossen sind nicht Altersflecken.

Frühling ohne Blüte, Sommer ohne Wonne, Herbst ohne Gold, Winter ohne Härte, Leben ohne Sinn?

Zur Sache Seele: Allwissen über die Unendlichkeit.

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Isst du Krümel, isst du Brot, was der Bärenhunger nicht verschlingt, und Brotaufstrich schmeckt besser als Brotabstrich.

Der Mensch ist ein nimmer satter Allesfresser: Sogar über seine Lebensgrundlagen
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Wortrangelei: Bei einer Konfrontation zwischen einem Stirnsatz und einem
Präpositionalobjekt erlitt der Stirnsatz mittelschwere Verletzungen am Verb.

Nur mundtote Artgenossen sind dem Machtwort gute Artgenossen.